
„Am Amboss der Seele“ – Verein "Einig" aus Vorarlberg präsentiert Therapieschmiedeverfahren
24.4.25, 10:00
Verein "Einig" aus Vorarlberg präsentiert Therapieschmiedeverfahren und Therapiedorfprojekt im Bruno Kreisky Forum zusammen mit der ukrainischen Botschaft Wien

„Am Amboss der Seele“ – Verein "Einig" aus Vorarlberg präsentiert Therapieschmiedeverfahren und Therapiedorfprojekt im Bruno Kreisky Forum zusammen mit der ukrainischen Botschaft Wien
Zerstörungen, psychologische Bedeutung und die Kosten des Krieges
Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur enorme materielle Schäden hinterlassen, sondern auch tiefe seelische Wunden geschlagen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass sechs von zehn Ukrainern von einer Verschlechterung ihres psychischen Wohlbefindens berichten. Die psychologischen Belastungen sind enorm – sei es durch die ständige Angst vor Angriffen, den Verlust von Angehörigen oder die Zerstörung des Heimatlandes. Diese traumatischen Erfahrungen fordern ihren Tribut und benötigen dringend ganzheitliche und nachhaltige therapeutische Interventionen.
Die Kosten des Krieges sind sowohl finanzieller als auch menschlicher Natur und werden in den kommenden Jahren noch spürbar bleiben. Der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und die Wiedereingliederung von Millionen Geflüchteten erfordern immense Mittel. Doch die emotionalen und psychischen Belastungen der Bevölkerung sind ebenso katastrophal und bleiben oft unbeachtet. Die seelischen Wunden durch den Krieg sind tief und die Unterstützung durch Maßnahmen wie die Schmiedetherapie oder das geplante Therapiedorfprojekt sind ein wichtiger Schritt, um die seelische Heilung des Landes zu fördern. Es wird ein langer Weg sein, bis das Land wieder zu seiner alten Kraft zurückfindet, aber der Beitrag zur psychischen Genesung ist ein bedeutender Schritt in diese Richtung.
In seiner Ansprache betonte Botschafter Vasyl Khymynets die entschlossenen Bemühungen der ukrainischen Regierung und Bevölkerung, einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen. Die russische Aggression habe der Ukraine großes Leid und unermesslichen Schmerz zugefügt. Um dieser weiterhin wirksam entgegentreten zu können, kommt der militärischen Unterstützung sowie der humanitären Hilfe eine zentrale Rolle zu.
Besonders hob der Botschafter die tiefen seelischen Wunden hervor, die der russische Terror bei Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern hinterlassen habe. Der Bedarf an psychosozialer Unterstützung sei derzeit besonders hoch.
Botschafter Khymynets dankte dem Verein Einig für dessen engagierte Hilfe. Das Projekt des Vereins sei ein herausragendes Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement mit außergewöhnlicher Tiefe.
Das Therapieschmiedeverfahren als ganzheitlicher Ansatz
Im ehrwürdigen Rahmen des Bruno Kreisky Forums in Wien stellte der in Vorarlberg beheimatete Verein „Einig – Verein für Ukrainehilfe“ am Donnerstagabend daher ein neuartiges, integratives Verfahren zur Traumabewältigung vor: das Therapieschmiedeverfahren. Das von Obfrau Anna Mamay-Gassner (1984), gebürtige Ukrainerin und emigrierte Deutsche, und dem Vorarlberger Kunstschmied und Journalisten Johannes Neumayer aus Feldkirch (Vorarlberg, 1983) entwickelte Konzept kombiniert traditionelle Schmiedekunst mit modernen psychotherapeutischen Methoden und wurde nun erstmals vorgestellt.
Mamay-Gassner und Neumayer, die gemeinsam den Verein "EINIG-Verein für Ukrainehilfe" leiten, haben bereits über 15 LKW-Hilfstransporte im Gesamtwert von mehr als zwei Millionen Euro in die Ukraine organisiert. Aus dem unmittelbaren Kontakt mit Geflüchteten und Soldaten entstand bei beiden die Erkenntnis, dass materielle Hilfe allein nicht ausreicht, und sich ein gewaltiger psychologischer Bedarf zeigt: "Was fehlt, ist ein Ort, an dem Menschen sich selbst wieder neu schmieden dürfen – physisch, seelisch, durch eigenes Tun."
Die Schmiedetherapie setzt genau hier an. Sie basiert auf einem drei-phasigen Modell der seelischen Bearbeitung: Unfreeze, Process, Refreeze, abgeleitet von Kurt Lewins Theorie des Wandels. Die Teilnehmenden durchlaufen eine Phase der Stabilisierung, eine emotionale Verarbeitungsphase, und schließlich die Phase der Verankerung. Der Schmiedeprozess wird dabei bewusst als symbolische Handlung genutzt: das Verformen, Erhitzen und Kühlen des Metalls steht für innere Wandlungsprozesse, die über Gespräche oft nicht erreichbar sind. Zentral ist die Arbeit mit den vier Elementen – Feuer, Wasser, Erde und Luft – die sowohl technisch wie psychologisch tiefgreifend eingesetzt werden. Die Methode spricht dadurch auch Menschen an, die mit klassischen Therapieformen nicht erreicht werden können, etwa traumatisierte Veteranen, Kinder oder Menschen, denen der Zugang zu Sprache oder Kreativmethoden schwerfällt. Auch das zweihundertseitige gebundene Manuskript zu diesem neuen Verfahren, welches Mamay-Gassner und Neumayer geschrieben haben, wurde an diesem Abend vorgestellt.
Vielversprechende Ergebnisse in der Schmiede in Vorarlberg
Besonders erfolgreich verliefen erste Pilotdurchgänge mit ukrainischen geflohenen Frauen in der Schmiede in Vorarlberg. In kleinen Gruppen wurden sichere Räume geschaffen, in denen Gespräche, Achtsamkeit, Bewegung und das Schmieden selbst ein integratives Ganzes bildeten. Die Teilnehmerinnen hatten die Gelegenheit, Kunstgegenstände zu schaffen, die einen direkten therapeutischen Nutzen hatten. Dazu gehörten etwa Duftlampen und Kraftamulette, die die Sinne der traumatisierten Frauen aktivierten und eine tiefere Verbindung zu ihren eigenen Gefühlen und Erfahrungen herstellten. Diese Kunstgegenstände halfen den Frauen, ihre innere Kraft und Identität wiederzufinden.
Ein weiteres bemerkenswertes Element dieser Pilotprojekte war die Entwicklung der EMDR-Schmiedetechnik. Diese Neuentwicklung des Vereins kombiniert das bewährte Verfahren der Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) mit dem Kunstschmiedeprozess. Es wurde festgestellt, dass das Arbeiten mit dem Metall und das intensive Erleben des Schmiedeprozesses den EMDR-Ansatz verstärken konnte, indem traumatische Erinnerungen auf einer körperlichen und emotionalen Ebene bearbeitet wurden.
"Die Veränderung war spürbar, in Körperhaltung, Blickkontakt, in der Art, wie die Frauen wieder Vertrauen fassen konnten und in der unmittelbaren Besserung ihrer empfundenen Stresssymptone", so Mamay-Gassner.
Diese Ergebnisse finden derzeit in Kooperation mit der FH Dornbirn und weiteren Fachinstitutionen systematische Begleitung und Validierung. Erste Rückmeldungen bestätigen eine deutliche Steigerung von Selbstwirksamkeit und psychischer Stabilität unter den Teilnehmerinnen.
Der geplante Therapiedorf in den ukrainischen Karpaten
Ein weiteres Highlight des Abends war die Enthüllung des geplanten Therapiedorfs in den ukrainischen Karpaten. Das Grundstück im Gebirge gehört dem Paar bereits, die Pläne wurden mit ukrainischen Architekt:innen des Büros „Transforma“ aus Kiew ausgearbeitet. Das Projekt ist baulich fertig durchgeplant, die Umsetzung scheitert derzeit lediglich an den Kriegsumständen und der Finanzierung. Im Rahmen der Präsentation wurde ein 3D-Modell des Dorfs vorgestellt, das aus einer Therapieschmiede, Aufenthaltsräumen, Naturflächen und meditativen Rückzugsorten besteht.
"Wir wollen, dass aus Kriegsschrott Kunst, Werkzeuge und vielleicht am Ende sogar Heilung entstehen – und aus inneren Bruchstücken neue, stärkere Formen werden. Dieses Dorf soll ein Ort der Wandlung werden, und eine Schmiede als zentraler Punkt dafür – denn über Jahrhunderte waren Schmieden ohnehin im Mittelpunkt eines gesunden Dorfes", erklärte Johannes Neumayer. In seiner Schmiede in Röthis fanden bereits erste Durchgänge des Verfahrens mit ukrainischen Geflohenen statt. Die Schmiedetherapie kombiniert dabei auch Elemente aus dem Aikido (Neumayer ist auch als Aikidotrainer tätig und lässt sein Wissen daraus in das Verfahren einfließen), EMDR, Atemarbeit, sowie neurobiologische Erkenntnisse über Trauma und Heilung.
Im Wohnzimmer Bruno Kreiskys wurde an diesem Abend zudem eine Hörbuchreise durch das Buch "Im Krieg aus der Ferne" von Neumayer präsentiert. Das Werk, erschienen im Verlag edition V, dokumentiert in Form von transkribierten Sprachnachrichten und Tagebuchaufzeichnungen die ersten Monate des Krieges und die Entwicklung des Vereins.
Helfen Sie mit, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen
Der Verein "Einig" ruft dazu auf, das Therapiedorfprojekt und die das neue Kunstschmiedetherapieverfahren mit Spenden, Kooperationen oder medienwirksamer Unterstützung zu fördern. Was als Initiative zweier Menschen begann, hat das Potenzial, zum Modellprojekt für ganzheitliche Traumaheilung in kriegsbetroffenen Regionen zu werden – ein Ort der Ruhe, der Kraft und der Wandlung, und das auch über den aktuellen Krieg in der Ukraine hinaus.
Kontakt & Informationen:
EINIG – Verein für Ukrainehilfe
Website: www.einig-ukraine.com
Telefon 0043 677 61329583